Wilhelm Aumer: Gedenktafel für einen Aufrechten

Dienstag, 23. Juli 2024

Im Rahmen eines Festaktes im Landratsamt wurde kürzlich der ehemalige leitende Beamte des Landratsamtes Lichtenfels, Wilhelm Aumer, aufgrund seines menschlichen Verhaltens während der NS-Zeit mit der Aufstellung einer Gedenktafel vor dem Landratsamt gewürdigt.

Landrat Christian Meißner erläuterte in seiner Ansprache, dass im Rahmen des P-Seminars des Meranier-Gymnasiums „13 jüdische Führerscheine – dreizehn jüdische Schicksale“ auch der Fokus auf Wilhelm Aumer gelegt wurde, der als leitender Beamter am Landratsamt Lichtenfels durch Einträge in Pässen von Juden deren Ausreise ermöglichte, obwohl er diese Einträge eigentlich nicht vornehmen durfte.

Er habe auch jüdische Familien gewarnt, was er noch viel weniger gedurft hätte. Er sei einer von wenigen gewesen, die in dieser dunklen Zeit der deutschen Geschichte Menschlichkeit gezeigt habe. Es habe aber auch Mut gebraucht. Wilhelm Aumer habe Courage bewiesen, insbesondere seinen jüdischen Mitmenschen gegenüber. Er hat ihnen in dieser dunklen Zeit ein Licht aufgezeigt hat.

Zur richtigen Zeit

Die Würdigung von Wilhelm Aumer komme zur richtigen Zeit, machte der Landrat deutlich. Mittlerweile würden wir mit einem etwas entfernten Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus zurückschauen. Für viele jüngere Menschen sei diese Zeit so weit weg. Manche heutigen Denkweisen näherten sich sogar diesem dunklen Kapitel der deutschen Geschichte wieder an.

Gerade heute, wo wir den persönlichen Mut und die Menschlichkeit von Wilhelm Aumer in den Mittelpunkt stellen, sollten wir alle bestrebt sein, die Demokratie zu verteidigen.

Reinhard Aumer, ein Enkel von Wilhelm Aumer, trägt sich in Gegenwart des Landrates Christian Meißner in das Goldene Buch des Landkreises ein. (Bildnachweis: Dr. Alfred Thieret)

Christian Meißner freute sich ganz besonders, dass mit Reinhard Aumer einer der acht Enkel von Wilhelm Aumer und mit Reinhard Aumers Cousine Brigitte Schwarz die jüngste Enkelin anwesend war. Er begrüßte auch herzlich Mo-Li Bamberger, die aus den USA angereist war. Sie ist die Schwiegertochter von Henriette Bamberger, die seinerzeit von Wilhelm Aumer gewarnt wurde, und dadurch noch rechtzeitig Deutschland verlassen konnte. Der Landrat bedankte sich bei Manfred Brösamle-Lambrecht und dem Bezirksheimatpfleger Prof Dr. Günter Dippold für die inhaltliche Darstellung der Tafel.

Reinhard Aumer stellte klar, dass er seinen Großvater nicht gekannt habe, weil dieser schon verstorben war, als er geboren wurde. Auch habe er von seiner Tätigkeit nichts gewusst. Er fand es lobenswert, dass es damals in Deutschland Menschen gab, denen das Schicksal gefährdeter Menschen nicht egal war, sondern die sich für sie einsetzten. Dass sein Großvater einer dieser Menschen war, mache ihn stolz, zumal sein damaliges Handeln nicht ungefährlich gewesen sei.

In einer bewegenden Rede auf Englisch stellte Mo-Li Bamberger, die für diesen Festakt extra aus den USA angereist ist, die Geschichte ihrer Schwiegermutter, Henriette Bamberger, dar. Sie schilderte sehr emotional, was die Einträge in den Pässen „Gilt auch für Frankreich und USA bzw. Nordamerika“ für die Flucht der Menschen bedeutete: das waren Sicherheit und Hoffnung. Denn die USA haben jährlich nur Visa für 27.000 Juden ausgestellt. Dies erfolgte durch monatliche Einreise-Quoten über eine Rangliste. Je nach Antragsdatum hat man dann sein Visum bekommen. Dies bedeutete aber gegebenenfalls auch eine lange Wartezeit. Um vor dem Nazi-Regime sicher zu sein, war es wichtig, dass eine Ausreise nach Frankreich, England, Türkei oder Kuba möglich war. Dies musste in den Pässen geschrieben stehen.

In diesen Ländern waren die Juden zunächst sicher und konnten so auf ihr Visum in die USA warten. Aus diesem Grund waren die Einträge, die Wilhelm Aumer in die Pässe vornahm so lebenswichtig für die Juden.

Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold ging zunächst kurz auf den Lebenslauf von Wilhelm Aumer ein, der 1883 in Regensburg geboren wurde und 1958 im Alter von 75 Jahren in Lichtenfels verstarb. Beruflich habe er eine klassische Beamtenlaufbahn durchlaufen, die von der Oberpfalz 1913 nach Lichtenfels führte, wo er bis Kriegsende tätig war. Im damaligen Bezirksamt, dem späteren Landratsamt, sei er einer der führenden Mitarbeiter in der Verwaltung gewesen.

Für das Gute eingestanden

Aufgrund seiner Parteizugehörigkeit sei Wilhelm Aumer, der mit einer Lichtenfelserin verheiratet war, zunächst entlassen und auf Drängen des damaligen Landrats Max Jüngling bis zu seinem Ruhestand wieder eingestellt worden. Wilhelm Aumer sei eine Person, die es verdient, dass man sich ihrer erinnert, meinte Prof. Dippold. Es habe aber noch andere Lichtenfelser gegeben, die für das Gute in einer bösen Zeit standen.

Es sei wichtig, solcher Menschen zu gedenken, nicht um sie als Helden auf einen Sockel zu heben, sondern sie als das zu sehen was sie waren, als Menschen. So wie es wichtig sei, Täter nicht als Dämonen darzustellen, sondern auch als Menschen, als Verführende, als Verführte, als Triebgesteuerte, als Opportunisten, aber letzten Endes als Menschen, denen man widerstehen konnte.

Personen wie Wilhelm Aumer hätten uns deutlich gemacht, dass es auch zwischen 1933 und 1945 Handlungsspielräume für anständige Menschen gab. Es habe durchaus die Möglichkeit gegeben, zu sagen irgendwann gehe ich nicht mehr weiter, irgendwann ist mir meine Menschlichkeit wichtiger als meine Karriere, ist mir Anstand wichtiger als Nachteile, die sich daraus ergeben könnten. Gedenken sei heute wichtiger denn je, da diejenigen, die die Zeit der NS-Diktatur relativieren, die, die sie gar gut heißen, immer mehr zu werden scheinen. Es sei wichtiger denn je, zu zeigen wie leicht nicht nur einzelne Menschen, sondern eine ganze Gesellschaft ins Unrecht abgleiten kann.

In vorbildlicher Weise

Deswegen sei es wichtig der Opfer zu gedenken. Dies geschehe in Lichtenfels in den letzten Jahren in einer vorbildlichen Weise, lobte Prof. Günter Dippold.

Schließlich trugen sich noch Reinhard Aumer, Mo-Li Bamberger und Brigitte Schwarz in das Goldene Buch des Landkreises ein. Zum Schluss enthüllten Landrat Christian Meißner, Mo-Li Bamberger, Reinhard Aumer und Brigitte Schwarz in Gegenwart des Lichtenfelser Bürgermeisters Andreas Hügerich und weiterer Ehrengäste die Gedenktafel für Wilhelm Aumer vor dem Landratsamt.

Autor: Dr. Alfred Thieret
Bilder: Dr. Alfred Thieret
Quelle: Obermain-Tagblatt vom 31. 07.2023