DA 49

Deportation und Ermordung

955 Menschen auf dem Weg in den Tod

Da 49 war die Bezeichnung des Deportationszuges, der am 25. April 1942 von Würzburg aus über Bamberg 955 fränkische Juden vier Tage lang nach Krasnystaw im südöstlichen Polen karrte. „Da“ stand für „David“. In Bamberg mussten 105 Juden aus Oberfranken zusteigen, darunter die Juden aus dem Landkreis Lichtenfels.

Geheime Anweisungen des Bezirksamtes (Landratsamtes) Lichtenfels an die Gemeindeverwaltung von Altenkunstadt zur Durchführung der Deportation

Was in ihnen vorging, als sie von Bamberg aus in Richtung Polen noch einmal durch ihre Heimat fuhren, kann man sich kaum vorstellen.

Am 28. April übergab Oswald Gundelach, der begleitende GeStaPo-Beamte, den Zug in Krasnystaw „ohne besondere Vorkommnisse“ an die SS.

Von Krasnystaw aus mussten die fränkischen Juden ins ca. 15 km entfernte Ghetto von Kraśniczyn marschieren. Dessen Bewohner waren tags zuvor in das Vernichtungslager Bełżec deportiert und dort in den Gaskammern umgebracht worden.

Das weitere Schicksal der Deportierten von Da 49 ist nicht mit letzter Sicherheit bekannt. Sehr wahrscheinlich wurden sie am 6. Juni 1942 im Vernichtungslager Sobibór ermordet.

Unter ihnen waren 32 Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises Lichtenfels, dabei fünf unserer Führerschein-Inhaber: Max Hellmann, Josef Kraus, Theodor Nordhäuser, Alfred Oppenheimer und Leo Wolf. Niemand von DA 49 überlebte.

Altenkunstadt

Liebermann Rosa,
geb. Rindsberg, *15. 3. 1875
Liebermann Johanna, *10.9.98
Liebermann Theodor, *6.7.83
Liebermann Hedwig,
geb. Zeilberger, *11.5.92
Liebermann Ernst, *6.7.26
Liebermann Ruth, *4.7.28
Nordhäuser Theodor, *27.3.82
Nordhäuser Mathilde, *4.4.78
Schuster Max, 25.11.76 *
Schuster Julie,
geb. Löwenthal, *9.5.76
Wolf Leo, *10.4.92
Wolf Helene, geb. Brüll, *4.12.1906
Wolf Margot, *4.12.1928

Burgkunstadt

Beyer Irma, 1.2.99
Kraus Max, 15.7.74
Kraus Mina, geb. Bayer, *25.12.82
Kraus Eva, *11.11.23
Possenheimer Bella, *18.8.83
Possenheimer Jette, *24.7.o8
Steinbock Agnes, 11.8.07
Steinbock Elisabeth, *13.6.02
Steinbock Peter, *23.2.37
Thurnauer Stefan, *20.1.90

Lichtenfels

Blum Ferdinand, *20.11.89
Blum Louis, *27.11.87
Blum Rosa, *15.9.94
Hellmann Max, *24.11.89
Hellmann Katinka,
geb. Erlanger, *6.3.93
Kraus Josef, *23.3.96
Oppenheimer Alfred, *23.1.03
Oppenheimer Anni,
geb. Krämer, *21.9.08
Oppenheimer Betty,
geb. Malzer, *19.2.77

„Aktion Reinhardt“ 1942-1943

Bełżec, Sobibór, Treblinka – der Zweck dieser Lager war einzig und allein die möglichst effiziente Ermordung einer möglichst großen Zahl von Menschen. SS-Chef Himmler hatte angeordnet, alle Juden des Generalgouvernements Polen bis zum 31.12.1942 umzubringen. Der Deckname dieses ungeheuerlichen Vorhabens lautete „Aktion Reinhardt“.

Odilo Globocnik, Höherer SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin, Organisator des Völkermords in Polen, prahlte noch 1945: „Zwei Millionen ham‘ma erledigt“ – Juden des Generalgouvernements, Sinti und Roma sowie zentral- und westeuropäische Juden, darunter 20.000 Juden aus Deutschland.

Unter ihnen waren die Frauen, Männer und Kinder des Zugs Da 49.

Die Opfer trafen an der Bahnrampe ein; sie mussten aus einem Meter Höhe zu Boden springen; wer das nicht schaffte oder sich verletzte, wurde sofort abtransportiert und in der Nähe erschossen. Den übrigen wurde, um sie zu beruhigen, versprochen, sie würden nach einer Dusche zu Arbeiten eingeteilt.

Bis zum Umbau der Lager im Sommer 1942 mussten sich die Ankommenden gleich nahe der Rampe nackt ausziehen und wurden dann über eine mit Stacheldraht eingezäunte Lagerstraße („Himmelfahrtsstraße“) in Gruppen von ca. 100 Personen zu den Gaskammern getrieben, die als Brausebäder getarnt waren.

Bis zum Sommer 1942 existierten in Sobibór drei Gaskammern von je 4 x 4 Metern, in die jeweils 100 Menschen gepackt wurden, d.h. auf ca. 16 Quadratmetern wurden 100 Opfer eingepfercht.

Dann wurden die Abgase eines großen, stationär verbauten Motors eingeleitet. Der Erstickungsvorgang dauerte bis zu 15 Minuten. Alexandr Petscherski, Überlebender des Lagers, beschreibt:

„Von der Decke, durch breite Metallrohre, krochen langsam dunkle dichte Gasschwaden herunter, die mit Hilfe der Elektromaschine eingepumpt wurden. Es wurde allen klar, dass sie einem qualvollen Tod geweiht waren. Verzweifeltes Weinen, erschrockene Schreie der Kinder vereinigten sich zu einem einzigen Schrei. Die Mütter drückten die Kinder an die Brust oder deckten sie mit ihren Körpern, nachdem sie sie auf den Boden gelegt hatten. Sterbend versuchten die Frauen instinktiv trotz der Qualen ihre Kinder zu retten und, wenn auch nur für eine Weile, ihren Tod zu verzögern. Viele warfen sich hin und her wie angeschossene Vögel, um einen Winkel zu finden, wo sie vielleicht gerettet werden könnten. Aber das Gas kroch unerbittlich immer tiefer und tiefer. Schrecklich waren die Qualen dieser Menschen, die langsam erstickten.“

Zit. n. Bruder, Franziska, Hunderte solcher Helden. Der Aufstand jüdischer Gefangener im NS-Vernichtungslager Sobibór. Berichte, Recherchen und Analysen, Hamburg 2013, S. 22f.

Täter

Einen schriftlichen Befehl Hitlers zur Ermordung der europäischen Juden hat es wohl nicht gegeben. Der Holocaust entwickelte sich aus einer Brutalisierung und Enthemmung seit dem Überfall auf die Sowjetunion, einem breiten rassistischen Konsens, „das Judenproblem zu lösen“, sowie radikalen örtlichen Initiativen, denen dann von Berlin zugestimmt wurde. Es waren nicht einige Verbrecher – man geht heute von mindestens 200.000 unmittelbaren Tätern aus.

Odilo Globocnik

Höherer SS- und Polizeiführer des Bezirks Lublin (Ostpolen), war ein fanatischer Germanisierungs-Agitator und von Karriere-Ehrgeiz zerfressen. Er preschte mit immer neuen Initiativen und Aktionen gegen Juden vor und wurde so Himmlers Schützling. Himmler beauftragte ihn, die Ermordung der polnischen Juden bis zum 31.12.1942 abzuschließen. Globocnik ließ die drei Vernichtungslager bauen und holte sich die „Experten“ der „Aktion T4“, um die Ermordung zu planen: Christian Wirth und seine Untergebenen hatten unter diesem Kürzel von 1939 bis 1941 70.000 Behinderte durch Kohlenmonoxid umgebracht.

Christian Wirth

Christian Wirth hatte bereits die „Aktion T4“ befehligt und entwarf die drei Vernichtungslager Bełżec, Sobibór und Treblinka. Besonders stolz war er auf die Konstruktion der Gaskammern, die er Besuchern gerne vorführen ließ. Bełżec leitete er als Kommandant selbst, über die anderen Lager hatte er den Oberbefehl. Er war auch bei seinen Untergebenen für seine Unbarmherzigkeit und Grausamkeit berüchtigt.

Gustav Wagner

Gustav Wagner bezeichnete sich selbst gerne als „Gasmeister“, die ihm unterstellten Lagerjuden nannten ihn „die Bestie“ „den Schlächter“, den „Henker von Sobibór“ oder „Welfel“ (den Wolf) . Als stellvertretender Lagerkommandant konnte er seinem Sadismus freien Lauf lassen. Es ist verbürgt, dass er Gefangene, sogar kleine Kinder, mit bloßen Händen ermordet hat. Nach dem Krieg gelang ihm die Flucht nach Brasilien. Bis zum Schluss zeigte er keine Reue. In einem BBC-Interview von 1979 sagte er:

„Ich hatte keine Gefühle dabei … Es war nur irgendein Job für mich. Nach Feierabend haben wir nie über unsere Arbeit geredet, sondern wir tranken und spielten Karten.“

Gustav Wagner