Deportation und Ermordung
955 Menschen auf dem Weg in den Tod
Da 49 war die Bezeichnung des Deportationszuges, der am 25. April 1942 von Würzburg aus über Bamberg 955 fränkische Juden vier Tage lang nach Krasnystaw im südöstlichen Polen karrte. „Da“ stand für „Deutsche Aussiedler“.
In Bamberg mussten 103 Juden aus Oberfranken zusteigen, darunter die Juden aus dem Landkreis Lichtenfels. Sie waren tags zuvor nach Bamberg geschafft worden, wo sie im Zentrum der jüdischen Gemeinde, dem Gasthof „Weiße Taube“, unter entwürdigenden Umständen auf den Zug aus Würzburg warteten.
Der Zug, bestehend aus 20 alten Personenwaggons III. Klasse, war bis zur zulässigen Obergrenze beladen, Fenster und Türen blieben während der ganzen Reise verschlossen. Der Zug war von 16 Polizisten und einem Gestapo-Mann bewacht.
Was in den Lichtenfelser und Kronacher Deportierten vorging, als sie von Bamberg aus in Richtung Polen noch einmal durch ihre Heimat fuhren, kann man sich kaum vorstellen.
Am 28. April übergab Oswald Gundelach, der begleitende GeStaPo-Beamte, den Zug in Krasnystaw „ohne besondere Vorkommnisse“ an die SS.
Von Krasnystaw aus mussten die fränkischen Juden ins ca. 17 km entfernte Ghetto von Kraśniczyn marschieren. Dessen Bewohner waren zwei Wochen zuvor in das Vernichtungslager Belzec deportiert und dort in den Gaskammern umgebracht worden. Die Lebensbedingungen in diesem Ghetto waren kaum zu beschreiben: Bis zu 40 Personen waren in einem der kleinen, meist zweiräumigen Häuser zusammengepfercht, die Versorgung war völlig unzureichend, Zeitzeugen zufolge versuchten sich die fränkischen Juden von Brennnesselsuppe zu ernähren.
Ein nicht bekannter Anteil arbeitsfähiger Männer aus dem Transport wurde gleich in das Arbeitslager Surhow/Augustowka verbracht, wo sie schwere Arbeiten beim Wasserbau am Flüsschen Wojslawka verrichten mussten. Mangelernährung und Überbeanspruchung bei der Arbeit führten sehr bald zu vielen Todesfällen unter den Zwangsarbeitern. Das Lager wurde im August 1942 aufgelöst, die noch überlebenden Häftlinge wohl in Belzec ermordet.
Das weitere Schicksal der Deportierten von Da 49 in Kraśniczyn ist nicht mit letzter Sicherheit bekannt. Wer verhungerte oder noch im Ghetto erschossen wurde, wer auf dem Marsch zur Bahnstation Izbica umkam, wissen wir nicht. Alle anderen wurden am 6. Juni 1942 in den Gaskammern des Vernichtungslagers Sobibor ermordet.
Unter ihnen waren 32 Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises Lichtenfels, dabei fünf unserer Führerschein-Inhaber: Max Hellmann, Josef Kraus, Theodor Nordhäuser, Alfred Oppenheimer und Leo Wolf. Niemand von DA 49 überlebte.
Altenkunstadt
Liebermann Rosa,
geb. Rindsberg, *15. 3. 1875
Liebermann Johanna, *10.9.98
Liebermann Theodor, *6.7.83
Liebermann Hedwig,
geb. Zeilberger, *11.5.92
Liebermann Ernst, *6.7.26
Liebermann Ruth, *4.7.28
Nordhäuser Theodor, *27.3.82
Nordhäuser Mathilde, *4.4.78
Schuster Max, 25.11.76 *
Schuster Julie,
geb. Löwenthal, *9.5.76
Wolf Leo, *10.4.92
Wolf Helene, geb. Brüll, *4.12.1906
Wolf Margot, *4.12.1928
Burgkunstadt
Beyer Irma, 1.2.99
Kraus Max, 15.7.74
Kraus Mina, geb. Bayer, *25.12.82
Kraus Eva, *11.11.23
Possenheimer Bella, *18.8.83
Possenheimer Jette, *24.7.o8
Steinbock Agnes, 11.8.07
Steinbock Elisabeth, *13.6.02
Steinbock Peter, *23.2.37
Thurnauer Stefan, *20.1.90
Lichtenfels
Blum Ferdinand, *20.11.89
Blum Louis, *27.11.87
Blum Rosa, *15.9.94
Hellmann Max, *24.11.89
Hellmann Katinka,
geb. Erlanger, *6.3.93
Kraus Josef, *23.3.96
Oppenheimer Alfred, *23.1.03
Oppenheimer Anni,
geb. Krämer, *21.9.08
Oppenheimer Betty,
geb. Malzer, *19.2.77
„Aktion Reinhardt“ 1942-1943
Belzec, Sobibor, Treblinka – der Zweck dieser Lager war einzig und allein die möglichst effiziente Ermordung einer möglichst großen Zahl von Menschen. SS-Chef Himmler hatte angeordnet, alle Juden des Generalgouvernements Polen bis zum 31.12.1942 umzubringen. Der Deckname dieses ungeheuerlichen Vorhabens lautete „Aktion Reinhardt“. Odilo Globocnik, SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin, Organisator des Völkermords in Polen, prahlte noch 1945: „Zwei Millionen ham‘ma erledigt“ – Juden des Generalgouvernements, Sinti und Roma sowie zentral- und westeuropäische Juden, darunter 20.000 Juden aus Deutschland – auch die meisten der Deportierten von Da 49.
Modell des Vernichtungslagers Sobibor, Weg der Opfer. Foto: Manfred Brösamle-Lambrecht
Die Opfer trafen in Sobibor am 6. Juni 1942 an der Bahnrampe ein; sie mussten aus einem Meter Höhe zu Boden springen; wer das nicht schaffte oder sich verletzte, wurde sofort abtransportiert und in der Nähe erschossen. Den übrigen wurde, um sie zu beruhigen, versprochen, sie würden nach einer Dusche zu Arbeiten eingeteilt.
Bis zum Umbau der Lager im Sommer 1942 mussten sich die Ankommenden gleich nahe der Rampe nackt ausziehen und wurden dann über eine mit Stacheldraht eingezäunte Lagerstraße („Himmelfahrtsstraße“) in Gruppen von ca. 100 Personen zu den Gaskammern getrieben, die als Brausebäder getarnt waren.
Bis zum Sommer 1942 existierten in Sobibór drei Gaskammern von je 4 x 4 Metern, in die jeweils 100 Menschen gepackt wurden, d.h. auf ca. 16 Quadratmetern wurden 100 Opfer eingepfercht.
Dann wurden die Abgase eines großen, stationär verbauten Motors eingeleitet. Der Erstickungsvorgang dauerte bis zu 15 Minuten. Alexandr Petscherski, Überlebender des Lagers, beschreibt:
„Von der Decke, durch breite Metallrohre, krochen langsam dunkle dichte Gasschwaden herunter, die mit Hilfe der Elektromaschine eingepumpt wurden. Es wurde allen klar, dass sie einem qualvollen Tod geweiht waren. Verzweifeltes Weinen, erschrockene Schreie der Kinder vereinigten sich zu einem einzigen Schrei. Die Mütter drückten die Kinder an die Brust oder deckten sie mit ihren Körpern, nachdem sie sie auf den Boden gelegt hatten. Sterbend versuchten die Frauen instinktiv trotz der Qualen ihre Kinder zu retten und, wenn auch nur für eine Weile, ihren Tod zu verzögern. Viele warfen sich hin und her wie angeschossene Vögel, um einen Winkel zu finden, wo sie vielleicht gerettet werden könnten. Aber das Gas kroch unerbittlich immer tiefer und tiefer. Schrecklich waren die Qualen dieser Menschen, die langsam erstickten.“
Zit. n. Bruder, Franziska, Hunderte solcher Helden. Der Aufstand jüdischer Gefangener im NS-Vernichtungslager Sobibór. Berichte, Recherchen und Analysen, Hamburg 2013, S. 22f.
Feld der Massengräber hinter den Gaskammern von Sobibor (Ausschnitt), August 2023; Foto: Manfred Brösamle-Lambrecht