Alfred Oppenheimer

Alfred Oppenheimer wird am 23. Januar 1903 im unterfränkischen Königshofen im Grabfeld als erstes von vier Kindern des Textilkaufmanns Nathan Oppenheimer und dessen Frau Betty, geb. Malzer, geboren. 1904 wird Alfreds Bruder Ernst geboren, 1908 die Schwester Frieda.

Führerschein von Alfred Oppenheimer

Textilkonfektion N. Oppenheimer

Mit drei kleinen Kindern – Sohn Max wird 1912 geboren – zieht die Familie 1908 nach Lichtenfels. Dort übernimmt Nathan die Geschäftsräume der Familie Stern von Bettys Großeltern. In der damaligen Bamberger Straße 77 und einem weiteren Gebäude in der Nähe eröffnet er im August sein eigenes Konfektionsgeschäft „N. Oppenheimer“. Es befindet sich heute – äußerlich weitgehend unverändert in der Inneren Bamberger Straße.

Mit 18 Geschäftsführer

Mit 16 Jahren beginnt Alfred 1919 eine kaufmännische Lehre in Bamberg. In seiner Abwesenheit stirbt der Vater 1920 im Alter von erst 46 Jahren. Alfred kehrt 1921 nach Lichtenfels zurück, übernimmt mit gerade einmal 18 Jahren das Geschäft seines Vaters und führt es unter dessen Namen weiter. 1930 erwirbt er die Fahrerlaubnis der Klasse 3a.

Am 28. Oktober 1935 heiratet Alfred Anni Krämer. Doch den beiden ist nur ein kurzes Glück vergönnt: Drei Jahre später, am 12. November 1938, wird Alfred nach der Reichspogromnacht in „Schutzhaft“ genommen.

Seine Mutter Betty schreibt einen verzweifelten Brief an die „politische Polizei des Bezirksamtes Lichtenfels“ und bittet um die Freilassung ihres Sohnes.

Sonntagsspaziergang am Main 1937: Von links Schwägerin Meta,
Mutter Betty, Alfred, Ehefrau Anni Oppenheimer (© JMM)
Die Oppenheimer-Geschwister: Von links Ernst, Max, Frieda, Alfred

Ein folgenschwerer Fehler

Die Zeit drängt, die Emigration der Familie steht unmittelbar bevor: Um die finanziellen Mittel dafür aufzubringen, hat Alfred das Geschäft schon im Herbst 1938 verkauft, vor seiner Verhaftung.

Alfred, Anni und Betty haben bereits Ausreisenummern erhalten und alle nötigen Papiere und Bürgschaften vorgelegt. Die Familie plant, sobald möglich nach USA auszuwandern; auf die Gültigkeit des USA-Visums wollen die Oppenheimers bei Verwandten in England warten.

Die jüngeren Brüder Ernst und Max sind bereits nach Baltimore bzw. New Orleans emigriert. Noch in Lichtenfels befinden sich 1939 Alfreds Schwester Frieda und ihr Mann Sigmund Marx. Dessen Bruder besorgt der Familie Oppenheimer einige Pelze, die sie zusammen mit etwas Schmuck und Uhren in die USA mitnehmen wollen, um nicht von null anfangen zu müssen.

Das ist ein folgenschwerer Fehler: Es ist Juden streng verboten, Wertsachen auszuführen; der NS-Staat plündert Emigranten vollständig aus. Die Familie wird verraten. Während sie ihre Sachen packt, stürmt die Polizei das Haus, reißt Kissen und Polster auf und findet die „Schmuggelware“.

Frieda und die Marx-Brüder schaffen es gerade noch, mit Tochter Marion nach England zu fliehen. Alfred und die beiden Frauen aber werden inhaftiert und zu zwei bzw. einem Jahr Haft verurteilt, die sie im Landesgerichtsgefängnis in Coburg absitzen müssen. Von hier schreibt Alfred die nachstehende Postkarte an seine Brüder nach Amerika.

© JMM

Coburg, 18. Juni 1939

Meine Lieben,
mit Eurem Brief habt ihr mir eine grosse Freude bereitet. Ich kann euch die traurigen Gefühle nicht schildern, die ich beim Lesen hatte. Es freut mich, dass ihr soweit noch gesund seid, bei mir geht es so. Ich bedaure nur lb. Mutter, dass sie bei ihrer schwächlichen Verfassung, das Los mitertragen muß. Liebe Brüder hoffentlich gelingt es Euch unter Mithilfe der Verwandten die Verhandlungen recht bald zu einem guten Ende zu führen, damit wir recht bald die Freiheit wieder haben […] Lasst bald Gutes von euch hören […]
Euer Euch liebender Alfred

Alfred Oppenheimer

Vergeblicher Wettlauf mit der Zeit

Brief des Bruders Ernst an den Anwalt Hrn Haas vom 29.12.1940
Abdruck mit freundlicher Erlaubnis des Jewish Museum of Maryland (© JMM)

Nun beginnt ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit: Unermüdlich versuchen ihre Verwandten, von Amerika aus die Freilassung der drei zu erwirken. Bruder Ernst will die Ausreise nach Shanghai ermöglichen, wo Juden gegen Bezahlung von 750 US-Dollar noch aufgenommen werden. Man beruft sich auf Herbert Lehman, den Gouverneur von New York, einen entfernten Verwandten; mehrere Anwälte werden beschäftigt.

Doch alle Bemühungen scheitern: Die Oppenheimers müssen die Gefängnisstrafe abbüßen. Der Zweite Weltkrieg behindert weitere Verhandlungen.

Auf der Transportliste des Deportationszuges DA 36 vom 25. April 1942 ist als Adresse der Oppenheimers „Judengasse 14“ vermerkt. Dies ist die Sammelunterkunft der in Lichtenfels verbliebenen Juden. Offenbar hat man die drei nach Verbüßung der Haft dort mit hineingepfercht.

Am 28. April um 8.45 erreicht der Transport die südostpolnische Stadt Kraśniczyn; die insgesamt 955 Deportierten marschieren ins einige Kilometer entfernte Krasniczyn.

Der weitere Weg von Anni, Betty und Alfred Oppenheimer ist nicht genau bekannt. Unstrittig ist, dass sie wie alle Insassen des Zuges in den nächsten Wochen in einem der Vernichtungslager Sobibór oder Belzec ermordet wurden.

Gestapo
Ausriss aus der GeStaPo-Transportliste des Deportationszuges DA 36