Leo Wolf wird am 10. April 1892 als Sohn des Gerichtsvollziehers Salomon Wolf und dessen Ehefrau Lina, geb. Leist, in Pappenheim in Mittelfranken geboren. Der Vater wird nach Altenkunstadt versetzt, die Familie zieht um. Leo und sein Bruder Benno erlernen den Beruf des Kaufmanns.

1914-18: Auszeichnungen im 1. Weltkrieg
Leo macht den Ersten Weltkrieg vom ersten bis zum letzten Tag mit. Die Liste der Schlachten und Gefechte, in denen er eingesetzt wird, liest sich wie ein Führer durch die Westfront: Lothringen, Arras, Ypern, Somme, Flandern usw. Nach einer Verwundung 1914 wird er Krankenträger, d.h. Frontsanitäter, ein sehr gefährlicher Posten.
Wegen Tapferkeit und sehr guter Leistungen befördert man ihn 1916 zum Sanitäts-Unteroffizier. Er erhält drei Auszeichnungen, darunter den seltenen Bayerischen Militär-Verdienstorden 3. Klasse mit Krone und Schwertern.
Erfolg im zivilen Leben
1922, in wirtschaftlich schwieriger Zeit, wagt er den Schritt in die Selbstständigkeit und gründet einen Betrieb für Sattler- und Seilereibedarf, er verkauft en gros und en detail. Offenbar ist das Unternehmen erfolgreich, so dass er eine Familie gründen kann.
Er heiratet die gutaussehende, 15 Jahre jüngere Viehhändlerstochter Helene Brüll aus Lichtenfels. Ihre einzige Tochter
Margot wird am 4. 12. 1928 geboren.
Die Wolfs gehören zur örtlichen Mittelschicht in Altenkunstadt, sind bestens integriert und anerkannt. Die Zeitzeugin Margarete Milz erinnert sich an Leo Wolf als stets gut gekleideten, respektierten Mann. Als einer der ganz wenigen im Ort fährt er ein Auto, der normale Altenkunstädter sagt „Sie“ zu ihm.
Faschingsgesellschaft mit Helene und Leo Wolf (2. Reihe
von oben, 2. und 3. von links)
Gelebtes Miteinander
Vieles, was wir über sein Leben und ihn als Person wissen, stammt aus einem Gespräch mit der Zeitzeugin und Jugendfreundin der gleichaltrigen Margot, Margarete Milz.
Margarete wird wie ein zweites Kind bei den Wolfs aufgenommen – als Margot Rollschuhe bekommt und die beiden Mädchen sich beim Fahren abwechseln, kauft Leo Margarete auch ein Paar. Bei Ausfahrten in die Fränkische Schweiz oder bei Wochenenden auf dem Hof der Großeltern in Seubelsdorf ist das Nachbarskind immer dabei. Leo nimmt die Mädchen im Auto auf Kundenfahrt mit (danach gibt es immer ein Eis) und er schimpft nie, wenn die Blumenrabatten wieder einmal zertreten sind.
Umgekehrt weint Margot bei Margaretes Kommunion, weil sie kein so schönes weißes Kleid wie Margarete anhat – Margaretes Mutter holt schnell das der Schwester aus dem Schrank und zieht es ihr an, damit sie sich nicht zurückgesetzt fühlt. Es wird miteinander geteilt, gegessen und gefeiert.

1933 ff.: Eine Existenz wird zerstört
Der staatliche Antisemitismus setzt der Familie zu, immer mehr Maßnahmen schränken die Lebensmöglichkeiten ein. Eine neue Stufe stellen die Novemberpogrome dar. In deren Folge müssen bis 1939 die Firma liquidiert und das Wohnhaus unter Wert verkauft werden – die Familie ist enteignet.
Sie müssen in das heruntergekommene „Schuster-Haus“ (heute Langheimer Straße 1) ziehen. Es liegt gegenüber dem Parteilokal der NSDAP. Oft leiden die Bewohner unter den nächtlichen Schikanen und Pöbeleien betrunkener Nazis.
Zwangsarbeit, Ausgangssperren, unzureichende Ernährung, Reiseverbote, Entzug von Winterbekleidung, der Judenstern und vieles mehr erschweren das Leben bis 1942 zusätzlich.
Leo Wolf hat versucht, mit seiner Familie zu emigrieren. Es ist ihm nicht mehr gelungen.
1942: Deportation und Ermordung
Am 24. April 1942 vormittags hatten sich die Altenkunstadter Juden am Rathaus einzufinden. Sie wurden vom Dorfgendarmen zum Bahnhof Burgkunstadt geführt. Manche Altenkunstadter standen hinter ihren zugezogenen Vorhängen und beobachteten heimlich den Zug der Todgeweihten, wissend, dass sie sie zum letzten Male sahen.
Sie erzählten, dass die Kolonne von Leo Wolf angeführt wurde. Aufrecht, erhobenen Hauptes ging er, seine Orden an der Brust, in den Tod.
Der Transport führte erst gemeinsam mit den Burgkunstadter Juden nach Bamberg, dann über Nürnberg nach Südpolen. Am 28. April erreichte der Zug um 8.45 Krasnystaw.
Unstrittig ist, dass alle Insassen des Zuges in den nächsten Wochen in einem der Vernichtungslager Sobibór oder Belzec ermordet wurden. Eine Quelle nimmt als wahrscheinlich an, dass die fränkischen Juden am 6. Juni 1942 in den Gaskammern von Sobibór starben.
Unter ihnen waren Leo (50), Helene (35) und Margot Wolf (13).
