Josef Kraus

Josef Kraus wurde ermordet. Er selbst hatte keine direkten Nachkommen, die Spur seiner überlebenden Verwandten verliert sich in den USA. Wir wissen nicht viel über sein Leben.

Leben als Kaufmann in Lichtenfels

Er wird als Sohn des Stoff- und Schnittwarenhändlers Carl Kraus (1858-1940) und seiner Frau Johanna Kraus (geb. Neuburger) am März 1896 geboren. Er hat zwei Schwestern, nämlich Henriette (*1894) und Käthe.

Der Vater ist eine sehr angesehene Persönlichkeit in Lichtenfels: Seit 1890 betreibt er eine Schnitt- und Kurzwarenhandlung im Hause Marktplatz 21, das er 1917 auch erwirbt. Seit 1908 sitzt er im Lichtenfelser Handelsgremium, wird 1922 zum Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde gewählt. Seit 1924 wählen ihn die Lichtenfelser in den Stadtrat, ab 1926 ist er Mitglied des Vorstandes des Bayerischen Textileinzelhandelverbandes.

Wir gehen davon aus, dass Josef im Geschäft des Vaters mitarbeitet, zumal Carl Kraus mit Ehrenämtern belastet und auch zunehmend betagt ist. Die Liste des Deportationszugs DA 49 von 1942 führt Josef Kraus als „Kaufmann“.

1933-38: Ausgrenzung und Diskriminierung

Zu seinem 75. Geburtstag im Februar 1933, sechs Tage nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, wird Josefs Vater Carl noch von allen Vereinen und Gremien der Stadt öffentlich geehrt, der Zweite Bürgermeister überreicht ihm in der Stadtratssitzung am nächsten Tag einen Blumenstrauß.

Schon wenige Wochen später jagt man ihn aus allen Vereinen und öffentlichen Ämtern. Wie es seinem Sohn ergeht, wissen wir nicht.

1938: Freiwild in der Pogromnacht

In den Novemberpogromen trifft es die Familie Kraus besonders hart. Der Nazi-Mob holt den 80-jährigen Vater aus dem Bett und treibt ihn im Schlafanzug von seinem Haus über den Marktplatz hin zur Synagoge, wo er mit ansehen muss, wie SA-Schläger das Gotteshaus verwüsten.

Die Scheiben seines Geschäftes werden zerschlagen, die Einrichtung zerstört. In der Folge plündern um 6.00 Uhr morgens 20-30 Frauen und Mädchen den Laden von Carl und Josef Kraus, bis endlich die Polizei eingreift.

Noch 1938 muss die Familie das Wohn- und Geschäftshaus, in dem der Vater seit 1890, also fast ein halbes Jahrhundert lang gearbeitet hat, an Nichtjuden verkaufen. Man pfercht Josef und seinen Vater zusammen mit den anderen Lichtenfelser Juden in das heruntergekommene Schächterhaus in der Judengasse 14.

Das „Schächter“- oder „Judenhaus“ Judengasse 14 neben der Synagoge; nach dem Krieg abgebrochen. (© Stadtarchiv Lichtenfels)
Wirtschaftliche Vernichtung einer Familie: Die „Judenvermögensabgabe“ war eine willkürliche Sondersteuer für Juden. Sie wurde den Juden als „Sühne“ nach den Novemberpogromen auf Befehl von Hitler und Göring auferlegt. Noch zynischer ist der nächste Eintrag: Josef Kraus wurden für die eigene Deportation und Ermordung 2.500 Mark in Rechnung gestellt.

Deportation und Ermordung

Dort stirbt Carl Kraus am 10. Januar 1940 mit 82 Jahren. Wie sein Sohn Josef Kraus bis 1942 lebt, wissen wir nicht. Er wird wie alle anderen Juden zur Zwangsarbeit bei einheimischen Betrieben heranngezogen worden sein.

Seiner Schwester Henriette kann mit ihrem Mann noch zu ihrem Sohn in die USA auswandern. Die letzte uns bekannte Adresse ist New York. Ihr Sohn Kurt stirbt dort am 5. August 1977. Die Spur von Josefs Schwester Käthe verliert sich 1940 in Aschaffenburg.

Josef Kraus und acht weitere Juden aus Lichtenfels gehen am 25. April 1942 im Morgengrauen zum Bahnhof. Man versucht die Menschen glauben zu machen, sie würden zum Arbeitseinsatz nach Osten gebracht.

Der Deportationszug „DA 49“ bringt insgesamt 955 fränkische Juden nach Krasnistaw in Ostpolen und von dort aus in eines der Vernichtungslager Sobibor oder Belzec.

Josef Kraus wird dort wahrscheinlich im Juni 1942 in einer Gaskammer durch Kohlenmonoxid ermordet.

Ausriss aus der Liste des Deportationszuges DA 36 vom 25. April 1942